Der erste hell leuchtende „wissenschaftliche“ Stern, der mit Lippstadt in Verbindung zu bringen ist, heißt zweifellos David Gans. Seine historische Position und die damit einhergehende Bedeutung in der europäischen, insbesondere europäisch-jüdischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte wurden lange verkannt oder vielleicht auch bewusst ignoriert. Der französische Philosoph und jüdische Historiker André Neher (1914-1988) formulierte 1986 in seiner ins Englische übersetzten französisch-sprachigen Biographie von 1974 zu Gans: „I know few men who have been as ungratefully treated as David Gans…“, und weiter in einer Wertung der Lebensleistung: „…all this would normally be enough to ensure him fame, if not glory“ 2. Wenn auch sehr marginal, so verbindet sich in David Gans ein bisschen seine Geburtsstadt Lippstadt mit den Ereignissen des geistigen Umbruchs im deutschen Renaissancezeitalter. Das Leben von David Gans umfasst kulturgeschichtliche Pionierarbeit in einer Zeit, gekennzeichnet von fundamentalen Auseinandersetzungen zwischen etablierter, weitgehend mythischer Weltinterpretation und der aufkommenden wissenschaftsbasierten Kenntnis kosmischer Ge- setzmäßigkeiten und Naturkunde. Gans steht als Repräsentant der jüdischen Geisteselite am Beginn der auf Wissenschaft bauenden geistigen Aufklärung. Seinen Büchern und Schriften kommt Bedeutung in der allgemeinen historischen Geistesentwicklung im deutschsprachigen, speziell auch im jüdischen Kulturraum zwischen Mittelalter und Neuzeit zu.